Kants „Critik der reinen Vernunft“, „Critik der practischen Vernunft“ und „Critik der Urtheilskraft“, die in den Bänden III–V der Akademie-Ausgabe vertreten sind, werden neu ediert. Als Herausgeber*innen für die „Critik der Urtheilskraft“ und die „Critik der practischen Vernunft“ konnten Prof. Dr. Andrea Marlen Esser (Jena) und Dr. Jens Timmermann (St Andrews, Schottland) gewonnen werden. Zuständig für die „Critik der reinen Vernunft“ sowie für die Koordination der Neuedition der drei Kritiken war bis Ende 2010 Dr. Tanja Gloyna (BBAW/ZEIT STIFTUNG BUCERIUS/Walter de Gruyter Stiftung für Wissenschaft und Forschung). Seit Anfang 2014 wird die erste Kritik von Prof. Dr. Dietmar Heidemann (Luxemburg) herausgegeben.
Die erste und zweite Auflage der „Critik der reinen Vernunft“ werden in der Hälfte des Textes, die Kant stark überarbeitet hat, erstmals vollständig auf gegenüberliegenden Buchseiten angeordnet. Eine synoptische Darstellung der zunächst veröffentlichten Textfassung und der laut Titelblatt „hin und wieder verbesserte[n] Auflage“ eröffnet einen neuen Blick auf Kants Arbeit an diesem wirkungsmächtigen Text.
Der Edition zugrunde gelegt wird die erste Auflage aus dem Jahr 1781 (Riga, J.F. Hartknoch; Titel, 2 Blatt Widmung, 8 Blatt Vorrede, 856 Seiten; 8°). Herangezogen wurde u.a. ein Exemplar aus dem Bestand der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin (Signatur 2 G 18), die es auch für die hier gezeigten Digitalaufnahmen zur Verfügung gestellt hat.
Ebenfalls Grundlage der Edition ist die „zweyte, hin und wieder verbesserte“ Auflage des Werks von 1787 (Riga, J.F. Hartknoch; XLIV, 884 Seiten; 8°), welches hier ebenfalls in Form von Digitalaufnahmen eines Exemplars der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin eingesehen werden kann (Signatur G 18 <2>).
Kants Handexemplar der „Critik der practischen Vernunft“ (1788) befindet sich im Archiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Das Buch hat keine Archivsignatur und gehört zum Sammelgut des Universitätsarchivs. Dankenswerterweise wurde es ermöglicht, Digitalaufnahmen des Exemplars samt den handschriftlichen Bemerkungen Kants zu machen und hier zur Verfügung zu stellen. Das Handexemplar der „Critik der practischen Vernunft“ dient als Textgrundlage für die Neuedition dieses Werkes innerhalb der Ausgabe „Kant’s gesammelte Schriften“.
Erstmals vorgestellt wurde das Buch von Hans Vaihinger, der sich 1898 in den „Kant-Studien“ insbesondere der Überlieferungsgeschichte widmete (Hans Vaihinger: „Kants Handexemplar der Kritik der praktischen Vernunft“, in: Kant-Studien 2, 1898, S. 489-490). Gerhard Lehmann bot später eben dort Transkriptionen der ausführlicheren Bemerkungen Kants an, d. h. von Einträgen auf dem letzten Blatt des Textes, auf der inneren hinteren Deckelseite („Wenn schwindlichte Metaphysik…“) sowie auf einem eingelegten Blatt, das beginnt: „Quaestio Stolpiana“ (Gerhard Lehmann: „Kants Bemerkungen im Handexemplar der Kritik der praktischen Vernunft“, in: Kant-Studien 72, 1981, S. 132-139).
Für eine Ausstellung anläßlich des 500. Gründungsjahres der Universität Wittenberg im Jahr 2002 wurde Kants Handexemplar der „Critik der practischen Vernunft“ – ohne Rücksprache mit dem Archiv – einem Restaurator übergeben. Dieser hat leider kein Protokoll über seine Arbeit angefertigt. Den älteren Aufzeichnungen vertrauend, ist davon auszugehen, daß die Seite mit Kants Aufzeichnungen „Wenn schwindlichte Metaphysik…“, die dem Buch nun als loses Blatt beigefügt ist, vor der Restaurierung fest am inneren hinteren Deckel war.
Der Edition zugrunde gelegt wird die zweite Auflage aus dem Jahr 1793 (Berlin, F.T. Lagarde; LX, 482 Seiten, 1 Blatt Weiß; 8°). Herangezogen wurde u.a. ein Exemplar aus dem Bestand der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin (Signatur 48/78/9067-6), die es auch für die hier gezeigten Digitalaufnahmen zur Verfügung gestellt hat.
Die von dem Verleger, Publizisten und Politiker Gerd Bucerius gegründete ZEIT STIFTUNG BUCERIUS fördert seit Jahren die Erforschung des Werks von Immanuel Kant. Sie hat die Neuedition der drei Kritiken maßgeblich durch Personal- und Sachmittel ermöglicht.
Die seit 2006 bestehende Walter de Gruyter Stiftung für Wissenschaft und Forschung, die das wissenschaftspolitische Vermächtnis des Verlagsgründers weiterführt, hat sich 2010 an der Förderung der Neuausgabe der drei Kritiken durch Personalmittel maßgeblich beteiligt.
Prof. Dr. Dr. hc. mult. Jan Philipp Reemtsma förderte als Stifter und Vorstand der 1984 von ihm gegründeten "Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur" zahlreiche Editionen, unter anderem von Theodor W. Adorno, Jean Améry und Walter Benjamin, und ermöglicht seit 2012 durch eine maßgebliche Förderung den Abschluss der Arbeiten an der Neuedition von Kants drei Kritiken.